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Über die Hautkrebs-Selbsthilfe hat uns eine Anfrage erreicht: Astrid Doppler, Gründerin vom Melanom Info Deutschland – MID e.V., hat uns auf eine Folge des MDR-Podcasts "Kekules Gesundheits-Kompass" aufmerksam gemacht. Darin wurden einige Aussagen zum Thema Solarium und Vorbräunen getroffen wurden, die sie und andere Patient:innen aufhorchen ließen. Wir haben uns dieser Thematik umgehend angenommen. Als Ergebnis hat unsere Mitarbeiterin Yvonne de Buhr diese ausführliche und spannende Stellungnahme formuliert.
In der 29. Folge des Nachrichtenformats: Kekulés Gesundheits-Kompass geht der medizinische Mikrobiologe und Virologe Professor Alexander Kekulé ab Minute 49:50 sehr ausführlich auf eine Hörerfrage zum Einfluss von regelmäßigen Besuchen eines Solariums auf die Gefahr von Hautkrebs ein.
Die zentralen (problematischen) Botschaften, die seine Ausführungen transportieren sind:
Die erste Botschaft ist nicht korrekt und die zweite Botschaft widerspricht sämtlichen Empfehlun-gen von Expertinnen und Experten für Hautkrebs. Nicht einzig diese Botschaften sind zu kritisieren, sondern auch die Argumentationskette dahinter.
Der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung aller Arten von Hautkrebs ist die UV-Strahlung. Hautkrebs ist mittlerweile die häufigste Krebserkrankung in Deutschland. Nach aktuellen Hochrechnungen des Krebsregisters Schleswig-Holstein erkrankten in Deutschland jedes Jahr mehr als 300.000 Menschen neu daran. Diese Entwicklung wird durch klimatische Veränderungen, insbesondere durch die Erhöhung der durchschnittlichen jährlichen Sonnenscheindauer, sowie durch längere Lebenserwartungen und einer damit einhergehenden gesteigerten UV-Belastung im Lebensverlauf noch weiter verstärkt werden. Bereits in den letzten 20 Jahren sind die Fallzahlen für Hautkrebs insgesamt um etwa 70 % gestiegen, für das besonders schwerwiegende Maligne Melanom um 40 %. Es steht also zu befürchten, dass die Hautkrebszahlen noch weiter steigen werden, wenn wir es nicht schaffen das Bewusstsein für UV-Schutz in allen Lebenslagen innerhalb der Bevölkerung zu erhöhen. Wir können nicht riskieren, dass sich verharmlosende und falsche Aussagen in Bezug auf die Gefährlichkeit von UV-Strahlung, Solarienbesuchen und Vorbräunen innerhalb der Bevölkerung verbreiten und festsetzen.
Die folgenden Zeilen beschäftigen sich daher im Detail mit den einzelnen Aussagen von Herrn Kekulé:
Herr Kekulé steigt ein mit der Bedeutsamkeit der UV-B Strahlung, welche direkt DNA-Schäden zur Folge habe und schwere Sonnenbrände verursache.
Zunächst einmal sorgt nicht nur die UV-B Strahlung für DNA-Schäden, sondern auch die UV-A Strahlung. Auch an der Entstehung von Sonnenbränden sind sowohl UV-B- als auch UV-A Strahlung beteiligt, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Trifft also UV-Strahlung (UV-A und UV-B Strahlung) auf die Haut, schädigt sie binnen Sekunden Hautzellen und ihr Erbgut. Lange Zeit verdächtigte man hauptsächlich die kurzwelligeren, energiereicheren UV-B Strahlen als alleinigen Verursacher für Hautkrebs. Dies ist nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht mehr haltbar. Sowohl UV-B als auch UV-A bewirken Veränderungen in der Erbsubstanz der Zelle. Sie „nutzen" unterschiedliche Mechanismen, das Resultat heißt aber immer: eine Erhöhung des Hautkrebsrisikos (Beani 2014). Nun kommt ein ausgeklügelter körpereigener Reparaturmechanismus in Gang: die Schäden in der Erbsubstanz werden beseitigt oder die Zellen werden bei zu hohem Schädi-gungsgrad vom Organismus abgestoßen. So schützt sich der Körper meist auch vor Zellen, aus de-nen Krebs entstehen könnte. Durch intensive und dauerhafte UV-Bestrahlung können aber ge-schädigte Zellen zurückbleiben, aus denen über mehrere Jahrzehnte Hautkrebs entstehen kann. Wichtig ist, dass bei jeder UV-Bestrahlung die Hautzellen bereits geschädigt werden, auch wenn noch keine entzündliche Hautrötung, ein Erythem- im Volksmund auch Sonnenbrand genannt- erzeugt wird. Die Vermeidung des Sonnenbrands an sich ist also keine ausreichende Strategie, um sich vor der Entstehung von Hautkrebs zu schützen, sondern die Vermeidung von DNA-Schäden.
Nun führt Herr Kekulé aus, dass heutige Solarien kein UV-B mehr haben und darum grundsätzlich ein niedrigeres Risiko für Hautkrebs bestehe, bezogen auf das maligne Melanom.
Die Zusammensetzung der UV- Strahlung, die von Solariengeräten emittiert wird ist eine andere als die der natürlichen Sonne. Der Anteil an UV-A Strahlung ist höher und der Anteil UV-B- Strahlung ist niedriger. UV-A-Strahlung sorgt dabei für eine grau-braune Sofort-Pigmentierung, die nur sehr kurze Zeit anhält. Erst durch UV-B-Strahlung setzt die gewünschte goldbraune Pigmentierung ein (nach 24 bis 72 Stunden), die für mehrere Tage bis Wochen erhalten bleibt. Ein Verzicht auf UV-B Strahlung in Solariengeräten würde folglich dem Bräunungsergebnis in Optik und Haltbarkeit entgegenstehen.
Hinzu kommt die konstant hohe Bestrahlungsstärke, die von Solariengeräten ausgeht. Die sonnenbrandwirksame Stärke der Bestrahlung durch die UV-Strahler in einer Sonnenbank orientiert sich an der sogenannten Referenzsonne. Die Referenzsonne entspricht der Sonneneinstrahlung mittags am Äquator, bei wolkenlosem Himmel auf Höhe des Meeresspiegels. Der Gesetzgeber hat die sonnenbrandwirksame UV-Strahlung der Referenzsonne als Obergrenze für die zulässige sonnenbrandwirksamen Bestrahlungsstärke der Sonnenbänke genommen. Dies hat er in der UV-Schutzverordnung festgehalten. In Zahlen ausgedrückt heißt das, die Summe der sonnen-brandwirksamen UVA und UVB Strahlen in der Sonnenbank darf 0,3 W/qm nicht überschreiten. Das bedeutet: Eine Sonnenbank strahlt im UV-Bereich also genau so stark wie die Äquatorsonne. Dies entspricht einem UV-Index von 12. Für diesen Wert wird weltweit harmonisiert empfohlen sich in Innenräumen aufzuhalten.
Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation stufte so-wohl die natürliche als auch die künstliche UV-Strahlung bereits 2009 in die höchste Kategorie krebserregender Faktoren ein. Zum Vergleich: UV- Strahlung steht nach dieser international gülti-gen Einstufung für Hautkrebs auf gleicher Stufe mit z.B. Asbest und Tabak für Lungenkrebs.
Die WHO kommt hinsichtlich der Auswirkungen von Solariengebrauch auf das Hautkrebsrisiko (2017: Infographic Sunbeds Cause Cancer, Boniol et al. 2012, Wehner et al. 2014, Wehner et al. 2012) im Gegensatz zu Herrn Prof. Kekulé zu folgenden Ergebnissen:
Das Risiko schwarzen Hautkrebs (malignes Melanom) zu entwickeln, ist bei Solariumnutzer:innen im Vergleich zu Nicht-Solariumnutzer:innen erhöht. Dieses Risiko steigt durch die Anzahl der Solarienbesuche und durch eine erstmalige Benutzung von Solarien im jungen Alter.
Auch bezüglich des weißen Hautkrebses (Plattenepithelkarzinom und Basalzellkarzinom) macht die WHO Aussagen über eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos:
Vor diesem Hintergrund wurde auch innerhalb der Aktualisierung der S3-Leitlinie „Prävention von Hautkrebs" unter Beteiligung von 44 Fachgesellschaften die UV-Exposition durch künstliche Quellen systematisch analysiert. Unter Einbezug und interessenkonfliktfreier Beurteilung der aktuellen Studienlage kommt die Leitliniengruppe zu dem Rückschluss, dass das Risiko des Auftretens von Malignen Melanomen bei Solariennutzer:innen im Vergleich zu Nicht-Solariennutzer:innen erhöht ist und mit der Häufigkeit der Solarienbesuche ansteigt. Daher wurde die evidenzbasierte Empfeh-lung ausgesprochen, dass die Nutzung von Solarien vermieden werden soll, um das Risiko für die Entstehung von Hautkrebs (insbesondere des Malignen Melanoms) zu reduzieren (Onkologisches Leitlinienprogramm 2021).
Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen kommt Herr Kekulé zu folgender Aussage: „Wer empfindliche Haut hat sollte die Sonne wirklich vermeiden, aber wer weiß, dass er eigentlich Sonne ganz gut verträgt, weil er ein dunkler Hauttyp ist, der aber eben jetzt vor dem Urlaub blass ist, weil er lange eben gearbeitet hat und eben nicht mehr weg war. Da kann es schon sinnvoll sein sich hier ein bisschen vorzubräunen, damit man nicht mit der komplett ungeschützten Haut oder nicht angepassten Haut in die Sonne geht und dann eben nen Sonnenbrand riskiert und da kann durchaus ne Kombination aus Solarium und hier mal in die Sonne gehen - so ein bisschen halt - kann was bringen im Sinne einer Abhärtung oder Vorbräunung eben für die spätere Situation im Süden."
Der Prozess der Bräunung ist ein Schutzmechanismus des Körpers, um sich vor UV-Strahlung zu schützen, sobald also die Haut bräunt, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Haut nicht ausreichend vor UV-Strahlung geschützt ist. Auf gezielte Hautbräunung ist also unbedingt zu verzichten.
Dunkle Hauttypen sind der UV-Strahlung gegenüber tatsächlich etwas unempfindlicher: das heißt ihre Melaninproduktion funktioniert etwas besser, das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass dunkle Hauttypen kein Hautkrebsrisiko haben. DNA-Schäden entstehen auch bei Hauttypen III bis VI, die ebenso vom Körper beseitigt werden müssen. Auch bei diesen Hauttypen können Repa-ratursysteme überlastet werden oder Fehler bei der Reparatur passieren, so dass im Laufe der Jahre Hautkrebs entstehen kann. Auch hier noch einmal der Hinweis: Einzig die Vermeidung von Sonnenbränden ist keine Garantie keinen Hautkrebs zu bekommen. Mit der Bräunung der der Haut lässt sich nur ein geringer Eigenschutz der Haut erreichen. Dieser entspricht maximal dem Licht-schutzfaktor 4-5. Zum Vergleich: für Sonnenschutzmittel gilt die Empfehlung mindestens Licht-schutzfaktor 30 zu benutzen. Der Eigenschutz der Haut ist mit 4-5 also viel zu gering, um vor DNA-Schäden zu schützen. Hinzu kommt, dass man bereits vor dem Urlaub im Süden eine hohe Schädi-gung des Erbgutes riskiert, um einen zu vernachlässigenden Eigenschutz der Haut zu erreichen. Eine Immunisierung durch Exposition ist für UV-Strahlung nicht zu erreichen. Von jeglicher Art von Vorbräunung raten Fachexpert:innen daher konsequent ab.
Abschließend trifft Herr Kekulé folgende Aussagen zu der Lokalisation von Melanomen: „Dann ist es tatsächlich so, dass man im Paket tatsächlich besser geschützt wird, weil der Hautkrebs, speziell der schwarze Hautkrebs auf der Haut, die sonst nicht sonnengewöhnt ist viel häufiger entsteht. Das ist bekannt, dass man den eben an den Körperstellen hat wo man normalerweise Kleidung drüber hat, also nicht im Gesicht, sondern typischerweise an den Schultern oder irgendwo anders am Körper, wo Kleidung drüber ist."
Betrachtet man die topographische Verteilung von Melanomen, so finden sich in Studien in Litau-en, Finnland und Deutschland die höchsten Inzidenzraten für das Maligne Melanom am Körper-stamm bei Männern, während bei Frauen die Häufigkeit für das Maligne Melanom an den Beinen am größten ist. Diese Verteilungseigenschaft wird auch als Argument dafür herangezogen, dass Maligne Melanom eher durch intermittierende als durch chronische UV-Exposition entstehen. Der topographische Vergleich der Inzidenz lässt allerdings außer Acht, dass die zu vergleichenden Kör-perareale sehr unterschiedliche Körperoberflächen bzw. Melanozytenanzahlen aufweisen. Die geschätzte Körperoberfläche z. B. des Stamms beträgt 32 % der Gesamt-Körperoberfläche, wäh-rend der Anteil von Gesicht inklusive Lippen und Augenlidern etwa nur 2,7 % ausmacht. Adjustiert man die Topographiespezifischen Inzidenzraten auf die betroffene Körperoberfläche (Body surface adjusted rates, RSA), so ergibt sich eine andere Deutung hinsichtlich der Prädisposition der Haut-areale für das Maligne Melanom. Die höchste RSA findet sich dann bei Frauen und Männern im Gesicht, welches eher als chronisch UV-exponiert eingestuft wird (Onkologisches Leitlinienpro-gramm 2021).
Im Sinne der journalistischen und wissenschaftlich Verantwortung des MDR gegenüber der Bevölkerung hat die Nationale Versorgungskonferenz Hautkrebs (NVKH) e.V. eine Bitte um öffentliche Richtigstellung an die entsprechende Redaktion gesendet. Die Redaktion reagierte freundlich und versprach, unsere Kritik in der nächsten Ausgabe von Kekulés Gesundheits-Kompass am 21. September 2023 zu besprechen.
Wir sind gespannt auf das Ergebnis.
Yvonne de Buhr ist die stellv. Vorsitzende der ADP und verantwortlich für die Themen Solarium und Hautkrebs-Screening.
E-Mail: debuhr@unserehaut.de